Umberto Eco gestorben

Es war einmal ein spitzfindiger, cleverer Mönch und sein nicht ganz so cleverer Novize, die einen Mörder suchen – na, schon erkannt, um wen es sich handelt? Ein weiterer Tipp: Wir befinden uns in einer norditalienischen Abtei, anno 1327. Genau:  um den Mönch William von Baskerville und seinen Novizen Adson von Melk, die Protagonisten des Romans „Der Name der Rose“. Vor 36 Jahren debütierte Umberto Eco mit diesem (oberflächlich betrachtet) Historienroman (im Original: „Il nome della rosa“) und landete auf Anhieb einen Welterfolg. Am Freitag, 19.02., ist Eco nun im Alter von 84 Jahren seinem Krebsleiden erlegen.

Der in Alessandria, Piemont, geborene Gelehrte (und bei ihm ist dieses Wort keine leere Worthülse!) interessierte sich ohne Einschränkungen für unterschiedlichste Gebiete der Wissenschaft, Kunst, Kultur und Politik. Auf dem Gebiet der Literaturwissenschaft entwickelte der Semiotiker in zahlreichen Büchern und Essays die Zeichenlehre maßgeblich weiter und prägte den Begriff des „offenen Kunstwerks“. Dafür erlangte er in Fachkreisen – und darüber hinaus – hohes Ansehen. Als linksliberaler Intellektueller war er das mahnende Gewissen Italiens, das sich nicht scheute, seine Meinung in regelmäßig erscheinenden Kolumnen in den Medien kundzutun. Als Schriftsteller gelang es ihm, sein umfassendes Wissen mit einem spannenden Schreibstil zu kombinieren. Eine Mischung, die nicht zuletzt „Der Name der Rose“ zum Welt-Bestseller machte. Ecos besonderes Verdienst war, dass er dabei nie eine Grenze zwischen Populärkultur und Anspruch zog (wofür er von Kritikern durchaus getadelt wurde), sondern dass er offen blieb für Impulse aus allen „Richtungen“. Mit ihm verliert der akademische wie auch der literarische Betrieb eine stets zum Nachdenken anregende Stimme und auch der italienischen Gesellschaft werden seine pointierten Gedanken fehlen.

Auf seiner Webseite finden sich Informationen zu Leben und Werk Umberto Ecos auf Italienisch oder Englisch.

Noch im vergangenen Jahr äußerte Eco in dieser dreiteiligen Interviewserie seine Gedanken zum Thema „Erinnerung“. Merk-würdig.

 

„Begegnungen mit Christa Wolf“: Journalistin Dagmar Just im Gespräch

Am 18.02.2016 fand die Auftaktveranstaltung der Gesprächsreihe „Begegnungen mit Christa Wolf“ der Christa Wolf Gesellschaft statt. Die Journalistin Dagmar Just stellte ihr Radio-Feature über Christa Wolf vor.

Einen ausführlichen Bericht finden Sie hier auf der Seite der Christa Wolf Gesellschaft.

In der Gesprächsreihe „Begegnungen mit Christa Wolf“ nähern sich ZeitgenossInnen und WeggefährtInnen, WissenschaftlerInnen und SchriftstellerkollegInnen, Gleichaltrige und Jüngere auf die ihnen jeweils gemäße Weise der Person und dem Werk Christa Wolfs. Die Gespräche bieten Raum sowohl für eine persönliche als auch für eine literarische oder wissenschaftliche “Begegnung”.

Weitere Termine:

01.03.2016, 20 Uhr: Gerhard Wolf und Maria Müller-Sommer (Literaturforum im Brechthaus)

19.04.2016, 20 Uhr: Annett Gröschner und Charlotte Misselwitz im Gespräch, moderiert von Birgit Dahlke (Literarurforum im Brechthaus)

24.11. 2016, 20 Uhr: Katja Lange-Müller und Tanja Dückers im Gespräch, moderiert von Therese Hörnigk (Literarurforum im Brechthaus)

15.12.2016, 20 Uhr: Alain Lance und Volker Braun im Gespräch, moderiert von Therese Hörnigk (Literaturforum im Brechthaus)

 

 

Christa Wolfs Berlin

Berliner Silhouette

Heute ist Berlin die „Hauptstadt Deutschlands“ – ganz Deutschlands wohlgemerkt. Doch das war nicht immer so. Zur Zeit der Teilung war Berlin zwar Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, der Regierungssitz der Bundesrepublik saß allerdings in Bonn. Wie keine andere deutsche Stadt verkörpert Berlin die vierzigjährige Teilung Deutschlands. Die Autorin Christa Wolf lebte länger als die Hälfte ihres Lebens in (Ost-)Berlin.

Noch bevor Wolf zu großer schriftstellerischer Berühmtheit gelangt, zieht sie im Spätsommer 1962 „fluchtartig“ kurz nach dem Mauerbau in die Hauptstadt der DDR bzw. an deren Rand nach Kleinmachnow bei Berlin.

„Ist es selbstsüchtig, dass wir beinahe fluchtartig aus Halle weggezogen sind, die Kinder aus ihren gewohnten Umgebungen herausgerissen haben? Aber der alte Hausarzt, der immer Schwitzpackungen verordnete, hat uns gesagt: Wenn sie vermeiden wollen, dass die Bronchitis Ihrer Kinder chronisch wird, müssen Sie hier wegziehen. Weg aus Chemie- und Nebelgebiet. Hierher in die gute Luft […] von Berlin. Wo ich, das muss ich mir zugeben, mich noch genauso fremd fühle wie die Kinder.“ (Eintrag aus Ein Tag im Jahr 1962, S. 48)

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David Bowie listet „Nachdenken über Christa T.“ als eines der 100 wichtigsten Bücher

David Bowie im Clockwork Orange-T-Shirt mit George Underwood. via

David Bowie im Clockwork Orange-T-Shirt mit George Underwood. Via

Der am 10. Januar 2016 in New York City verstorbene David Bowie ist seit seinem Tod wieder Gegenstand aller Feuilletons, unzähliger Blogeinträge und in aller Munde, Fotos, Videos und Kurzmeldungen rieseln durch die sozialen Netzwerke. Eine Welt nimmt damit Abschied von einem der bedeutendsten Musiker des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts, der gerade in den letzten zehn Jahren wieder einen enormen Popularitätsschub erfuhr. Ganze Generationen verehrten ihn nicht nur als Sänger, Musiker und Produzenten, sondern feierten auch sein androgyn-extravagantes Erscheinungsbild als „Ziggy Stardust“, das von vielen, vor allem in der LGBTIQ*-Gemeinschaft, als mutige Aufbrechung von Rollenklischees vergöttert wurde und wird. Erst 2014 war noch im Martin Gropius Bau in Berlin eine umfassende Retrospektive des Victoria & Albert Museum, London, zu sehen, die alle Facetten von David Bowies Schaffen multimedial und durch die Jahrzehnte hindurch zu beleuchten schaffte. Jedoch: David Bowie als Leser wurde nicht erwähnt oder gezeigt. … 

 

Medea. Stimmen – szenische Lesung im Staatsschauspiel Dresden

Medea ist allein auf der Bühne. Auf der Bühne, die abwechselnd die Zelle ist, in der sie auf ihr Urteil wartet, und Korinth, ihr neuer Lebensraum nach der Flucht aus Kolchis. Medeas Freiräume in Korinth verengen sich im Laufe des Abends durch die Verwicklungen mit den anderen Figuren, sodass beide Räume, die Gefängniszelle und die Stadt Korinth, zum Ende hin verschmelzen. Das Bühnenbild gibt sich nicht die Mühe, den Schein zu wahren, der Tisch und der Stuhl sind Theatertisch und Theaterstuhl. … 

 

Nachlese zur Salonlektüre zu „Medea. Stimmen“

Einmal im Monat treffen sich bei der Salonlektüre an der Humboldt-Universität zu Berlin Studierende, Dozenten und Interessierte, um ein Buch zu besprechen. Am 24.11.2015 stand Christa Wolfs „Medea. Stimmen“ auf dem Lektüreplan. Rund 12 Personen diskutierten an diesem Abend über ihre subjektiven Lesereindrücke, aber auch über Aspekte und Themen, die das Buch aufwirft, und die erzählerische Struktur des Werkes.

Basierend auf diesen Überlegungen hat Marina Brafa (Studentin an der HU und Mitglied der Christa Wolf Arbeitsgruppe, die dieses Blog betreibt) einen Essay verfasst, der hier abrufbar ist. Auf Kritik und Anregungen (gerne im Kommentarfeld) freut sich die Autorin.

 

Denkmal für Christa Wolf eingeweiht

Am 29.10.2015 wurde in Gorzów Wielkopolski, Polen, das Christa Wolf Denkmal „Nellys Bank“ eingeweiht. Landsberg an der Warthe ist der frühere, deutsche Name des heute polnischen Gorzów: es ist der Geburtsort Christa Wolfs, in den sich die Erzählerin in Kinheitsmuster zurück begibt. Das Denkmal ist eine Bronzestatue, die auf einer Bank sitzt. Ein junges Mädchen, das sich leicht nach vorne beugt und verhalten lächelt. Es ist die Figur Nelly Jordan  aus Kindheitsmuster. Medienvertreter werden später behaupten, es sei die junge Christa Wolf. … 

 

Gesungen, geschrieben, gedeutet. Die Lieder in „Stadt der Engel“ von Christa Wolf.

In Christa Wolfs letztem Roman „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr Freud“ (2010) geschieht neben etlichem Anderen das, worauf ich immer gehofft habe: Die Erzählerin gewährt Einlass in ihre musikalische Sozialisation. Die „Meditation“ namens „Dünn ist die Decke der Zivilisation“ über die Paukenmesse Haydns schrieb Wolf 1998; davor wie danach finden sich im Werk der Autorin seltenst Ausflüge in die Musik, die Rückschlüsse auf die Bedeutung von Musik in Leben und Werk Christa Wolfs zuließen, bis auf einige Stellen in ihrer Prosa, in denen sie Schallplatten erwähnt. Ausgerechnet in ihrem letzten großen Roman „Stadt der Engel“ finden sich über Seiten Liedtitel, scheinbar wahllos aneinander gereiht, die die Erzählerin in einer verzweifelten Nacht singt.
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Schenkung der Privatbibliothek von Christa und Gerhard Wolf an die HU

Die Familie Wolf überlässt der Humboldt Universität zu Berlin die umfangreiche Privatbibliothek von Christa Wolf und Gerhard Wolf zur wissenschaftlichen und öffentlichkeitswirksamen Nutzung. Am 3. September 2015 erfolgte die Beurkundung des Schenkungsvertrages. Die Humboldt-Universität nimmt die Schenkung zum Anlass, am Institut für deutsche Literatur eine Christa- und Gerhard-Wolf-Arbeitsstelle aufzubauen.

Ausführlichere Informationen bietet die Webseite der Christa Wolf Gesellschaft.

 

„Bücher, die ich machen wollte“ – Gerhard Wolf zu Besuch

 

Am 17. Juni ist Gerhard Wolf zu Gast beim studentischen Arbeitskreis Christa Wolf Andernorts an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im „Transitraum“, der das Archiv Heiner Müllers beherbergt, berichtet Wolf über die Gründung seines Verlages Janus press im Jahre 1991 und den damit einhergehenden Problemen und Fragen, die sich ihm und seiner Frau und Mitgründerin Christa Wolf nicht nur in den Anfangsjahren stellten.  …