David Bowie listet „Nachdenken über Christa T.“ als eines der 100 wichtigsten Bücher

David Bowie im Clockwork Orange-T-Shirt mit George Underwood. via

David Bowie im Clockwork Orange-T-Shirt mit George Underwood. Via

Der am 10. Januar 2016 in New York City verstorbene David Bowie ist seit seinem Tod wieder Gegenstand aller Feuilletons, unzähliger Blogeinträge und in aller Munde, Fotos, Videos und Kurzmeldungen rieseln durch die sozialen Netzwerke. Eine Welt nimmt damit Abschied von einem der bedeutendsten Musiker des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts, der gerade in den letzten zehn Jahren wieder einen enormen Popularitätsschub erfuhr. Ganze Generationen verehrten ihn nicht nur als Sänger, Musiker und Produzenten, sondern feierten auch sein androgyn-extravagantes Erscheinungsbild als „Ziggy Stardust“, das von vielen, vor allem in der LGBTIQ*-Gemeinschaft, als mutige Aufbrechung von Rollenklischees vergöttert wurde und wird. Erst 2014 war noch im Martin Gropius Bau in Berlin eine umfassende Retrospektive des Victoria & Albert Museum, London, zu sehen, die alle Facetten von David Bowies Schaffen multimedial und durch die Jahrzehnte hindurch zu beleuchten schaffte. Jedoch: David Bowie als Leser wurde nicht erwähnt oder gezeigt.

Bowie lebte nicht nur in (damals West-)Berlin, anscheinend beschäftigte er sich auch unter anderem mit deutscher Literatur. In der Liste seiner 100 für ihn wichtigsten Bücher stehen zwei Deutsche: Alfred Döblin mit „Berlin Alexanderplatz“ (1929) und Christa Wolf mit „Nachdenken über Christa T.“ (1968). Nicht nur ist es schön, dass Christa Wolfs Roman über die an Leukämie erkrankte Christa Tabbert neben Werken von Autor*innen wie bspw. Nabokov, Kerouac, Orwell und Camus steht, sondern auch, dass der Roman einer Schriftstellerin aus der DDR den gebürtigen Briten und in den USA lebenden David Bowie erreicht hat. Bowies Kanon ist sonst vor allem geprägt von US-amerikanischen Autor*innen, weniger von europäischen und am wenigsten von deutschsprachigen oder aus Deutschland stammenden. Umso bedeutungsvoller ist es, dass Bowie Christa Wolfs Roman scheinbar wichtiger, metaphorisch gesprochen, als jeder „Faust“ war.

Welche großen Namen sonst noch auf der vielschichtigen, teil- und spannenderweise so gar nicht dem Weltliteratur-Kanon entsprechenden Liste stehen (Stichwort „Comic“!), seht ihr hier.

 

Max Böhner

 

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