Kurfürstendamm

Kurfürstendamm, Ecke Joachimsthaler Straße, 1972. Foto: Willy Pragher

Kurfürstendamm, Ecke Joachimsthaler Straße, 1972. Foto: Willy Pragher. CC 3.0

Der Kurfürstendamm in Berlin Charlottenburg und Wilmersdorf wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Zentrum der City West. Mythenumrankt ist er noch heute das Symbol für Luxus. Aus der Flaniermeile wird seit Beginn dieses Jahrhunderts eine Einkaufsmeile, die Cafés und Kinos schließen nach und nach.

Rita, die Protagonistin aus „Der geteilte Himmel“ schildert die Prunkstraße des Charlottenburger Berlins vor dem Mauerbau als „[s]o schön, so reich, so glänzend sollte sie sein, daß sie es doch nicht schaffte, mit ihrer eigenen Sage Schritt zu halten […]“. Sie ist nicht zum ersten Mal in Berlin, allerdings bemerkt sie nun am Ende des Besuchs ihre Fremdheit in der Stadt, die sie als „taub und stumm“ betrachtet.

An dieser Stelle vermischt sich auf spannende Weise Christa Wolfs eigenes Gefühl von Unvertrautheit gegenüber West-Berlin mit der Haltung der Protagonistin des Romans. Auch steht der Ku’damm als Stellvertreter für den Kapitalismus, mit dem Rita nicht viel anzufangen weiß.

Der Kurfürstendamm bei Nacht, 1959. Foto: Willy Pragher.

Der Kurfürstendamm bei Nacht, 1959. Foto: Willy Pragher. CC 3.0

Erstaunlich ist, dass Christa Wolf den Ort hier nur umschreibt und nicht genau benennt. Jedoch beschreibt die Erzählerin zuvor den Bahnhof Zoo und alle, die irgendetwas von Berlin wissen, dürften in der darauf folgenden Schilderung einer Straße wohl sofort den Ku’damm wiedererkennen.

Christa Wolf selbst geriet in Schwierigkeiten, als sie in West-Berlin mit 26 Jahren verhaftet wird, da sie für die kommunistische Partei SEW dort Werbematerial einwarf: „Nicht erinnere ich mich an die Adresse, die euch zugeteilt war, nicht einmal an den Stadtbezirk, Westberlin war für dich eine fremde Welt“ („Stadt der Engel“, S.220). Diese Fremdheit, die die Autorin (hier auch Erzählerin) damals und auch bis weit nach der Wende empfindet (vgl. „Ein Tag im Jahr“), spiegelt sich gut in der vagen, aber eher abgeneigten Beschreibung des Kurfürstendamms wider, der in „Stadt der Engel“ durch die Du-Distanzierung und Betrachtung von außerhalb eine weitere Ebene der Selbstbetrachtung hinzugefügt wird.

Als Kontrastprogramm zum stillen Unverständnis Ritas bzw. auch Christa Wolfs kann man das Sehnsuchtsvolle, Mythische bei Hildegard Knef finden, die ein Jahr vor der Veröffentlichung von „Der geteilte Himmel“ eine ganz andere Sicht auf die bekannteste Flaniermeile Berlins hat; die einer West-Berlinerin, die im Grunewald wohnte:

Quellen:

  • Christa Wolf: Der geteilte Himmel. Halle (Saale) 1963.
  • Christa Wolf: Ein Tag im Jahr. Frankfurt a.M. 2008.
  • Christa Wolf: Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud. Berlin 2010.