Friedrichstraße

Bahnhof Friedrichstraße 1990, Foto: Jim Linwood. CC 2.0.

Bahnhof Friedrichstraße 1990, Foto: Jim Linwood. CC 2.0.

Die Friedrichstraße war nicht nur Wohnort der Wolfs von 1976 bis 1988, bereits in den 60er Jahren ist die Autorin des Öfteren in der wohl bekanntesten Straße Berlin Mittes unterwegs: „Übrigens wirkte Berlin gestern ein bißchen schäbig, gerade in der Friedrichstraßengegend, die Fassaden blättern ab, etwas Glanz fehlte.“ [Ein Tag im Jahr, S. 95]. Dieses Zitat wirkt heute sehr komisch, da die Friedrichstraße wohl eine der glanzreichsten Straßen Berlins ist.

Ein ganz anderes Bild der Straße offenbart sich 1984, als die Schriftstellerin mit ihrer Enkelin die Friedrichstraße entlang läuft und zum ersten Mal „Sonnen“ auf den Masten der Weidendammer Brücke bemerkt und auch sonst mehrmals haltmachen muss, weil die Enkelin etwas entdeckt. [Ein Tag im Jahr, S. 380]. Nach eben diesen Sonnen habe ich nun einmal gesucht: Und sie nicht gefunden!

Wiederum mehr als ein Jahrzehnt später, 1997, schildert Wolf, nun bereits seit fast 10 Jahren in Pankow ansässig, die Friedrichstraße als von Baustellen durchsetzte, unpassierbare Straße. [Ein Tag im Jahr, S. 626] Das erscheint heute, durch die Bauarbeiten an der U-Bahnlinie U5 eher „Unter den Linden“ der Fall zu sein, während die Friedrichstraße größtenteils frei von Baustellen ist.

Die Friedrichstraße erscheint als topografischer Bezugspunkt einiger Texte Wolfs. Mit all ihren Facetten – dem nervtötenden Verkehr, der krankmachenden Bespitzelung vor der eigenen Haustür, dem Baulärm, den aufschlussreichen Gesprächen mit Verkäuferinnen in einer Drogerie oder in einem Laden unter dem S-Bahn-Bogen – die Friedrichstraße ist für Wolf wohl gleichzusetzen mit einem Großteil ihres Berliner Lebens an sich. Spezifische Orte an der Friedrichstraße wie die Weidendammer Brücke oder die Wohnung der Wolfs halten Einzug in die fiktionalen Texte Wolfs (s. „Leibhaftig“, „Was bleibt“).

Hier eine spannende Visualisierung des Bahnhofs Friedrichstraße und des Tränenpalasts vor 1989:

Quelle:

  • Christa Wolf: Ein Tag im Jahr. Frankfurt a.M. 2008.