Bahnhof Zoologischer Garten

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Bahnhof Zoo. CC 3.0

„Darin unterschied sich also diese Stadt von allen anderen Städten der Welt: Für vierzig Pfennig hielt sie zwei verschiedene Leben in der Hand.“ (S. 267)

So reagiert die Protagonistin in „Der Geteilte Himmel“ (1964) auf ihre Ankunft in (West-)Berlin. Sie folgt ihrem Freund Manfred, der „Republikflucht“ begangen hat und auf ein besseres Leben im Westen hofft. Der Bahnhof „Zoologischer Garten“ wird explizit genannt und stellt im Roman die Schneise zwischen zwei Systemen dar, personifiziert durch zwei Personen: Rita und Manfred. Jedoch reagiert sie nicht begeistert auf das Konsumverhalten am Kurfürstendamm, den sie entlang läuft, um ihren Freund zu treffen. Auch anschließend erscheinen ihr die Cafés und Restaurants als unsympathisch. Werbeanzeigen zu Parfüms, einem Warenhaus, oder einer Schuh-Kette: Die Welt des Westens mit ihrem Konsum bleibt der jungen Hauptfigur „geheime Chiffren, unentzifferbar“. Man kann also den Bahnhof Zoo als Wendepunkt in der Beziehung und auch im Roman selbst betrachten: Die Liebe zu Manfred erscheint als unmöglich, fast möchte man sagen, erloschen. Die aufeinander geprallten Welten vertragen sich nicht, man wird einander fremd, bis schließlich Ritas Entscheidung, in der DDR zu bleiben, buchstäblich mit dem Bau der Mauer in Stahlbeton gegossen wird.

Der Bahnhof Zoo ist einer der wenigen Orte in West-Berlin, die Christa Wolf in ihren Texten schildert. In westlichen Teil der geteilten Stadt kannte sich die Autorin selbst auch nach der Wende nicht allzu gut aus und fühlte sich fremd, was man wie eine Fortführung der Szene am Zoologischen Garten lesen kann: „[…] wie fremd mir dieses Westberlin immer noch ist, wie wenig ich mich in vielen Stadtteilen immer noch zurechtfinde, es will mir anscheinend nicht gelingen, meinem Gedächtnis diese neuen Örtlichkeiten einzuspeichern. Ich frage mich, ob da ein unbewußter Widerstand mit im Spiel ist.“.

Die S-Bahn am Bahnhof Zoo. Foto: Magnus Manske. CC 2.0.

Die heutige S-Bahn am Bahnhof Zoo. CC 2.0

Tritt man heute aus dem Bahnhof, so ist von der Bedeutsamkeit nicht viel zu bemerken, das Fremde ist gewichen, wenn man als Kind im (ehemaligen) West-Deutschland mit McDonalds, H&M, Starbucks und Co aufgewachsen ist. Man steht auf einem großen Platz, einem Luxus-Hotel gegenüber, der zur Newton Foundation, ins Museum für Fotografie, zur UdK, zur C/O oder natürlich zum Kurfürstendamm führt, und auch einen legendären, täglich geöffneten Supermarkt unter der Brücke beherbergt. Das Gefühl der Fremdheit ist Ansichtssache, aber das Gefühl einer Grenzüberschreitung kann man, aufgewachsen im Kapitalismus, nur noch vage und blass nachempfinden.

Ähnlich ergeht es einem, wenn man nach Heroinsüchtigen oder Prostituierten am Zoo sucht, nachdem man „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ gelesen hat: Man findet das Beschriebene nicht und kann nur mutmaßen, nach-fühlen, oder historische Fotos bzw. Videos anschauen, um einen groben Eindruck der damaligen Realität zu bekommen.

Ein Bahnhof voller Wandel, der sich nach wie vor durch die kürzlich und künftig neu gebauten Gebäude ringsum ständig verändert.

Eine ganz andere Sicht auf den Bahnhof erhält man als Zuschauer_in durch den Film „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (1981):

Quellen:

  • Christa Wolf: Der geteilte Himmel. Halle (Saale) 1964.
  • Christa Wolf: Ein Tag im Jahr. Frankfurt a.M. 2008, S. 551.